Neueste Forschungsarbeit von Dr. Huthifa zur vermeintlichen Allianz des linksradikalen Milieus und der Muslimbruderschaft in Deutschland #GOOM!#radikalismusprävention#extremismusforschung
- leitungsteamarabis
- 11. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Sept.

Forschungsarbeit
Die vermeintliche Allianz zwischen linksradikalen Milieus und der Muslimbruderschaft in Deutschland – Eine erweiterte Analyse am Beispiel Berlin
Autor
Prof. Dr. phil. Hudhaifa Al-Mashhadani
Berlin, 2025
Abstract
Die vorliegende Studie untersucht die Annahme einer Allianz zwischen linksradikalen Milieus und Akteuren der Muslimbruderschaft (MB) in Deutschland. Der Fokus liegt auf Berlin, wo sowohl MB-nahe Strukturen als auch linksradikale Gruppen traditionell stark verankert sind. Ziel ist es, ideologische und praktische Schnittstellen herauszuarbeiten, diese im europäischen Vergleich einzuordnen und Implikationen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) zu diskutieren.
Methodisch stützt sich die Arbeit auf eine qualitative Dokumentenanalyse von Verfassungsschutzberichten, wissenschaftlicher Literatur und Medienquellen. Die Ergebnisse zeigen, dass keine institutionalisierte Allianz existiert, jedoch temporäre Zweckbündnisse entstehen, die signifikante demokratietheoretische Risiken bergen. Präventionsstrategien – insbesondere die Stärkung marginalisierter Stadtteile – werden als zentrale Handlungsoption empfohlen.
1. Einleitung
Die Bundesrepublik Deutschland steht angesichts zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung vor neuen Herausforderungen. Neben rechtsextremen Strömungen rücken auch legalistisch-islamistische Bewegungen sowie linksradikale Akteure in den Fokus sicherheitspolitischer Diskussionen. Insbesondere seit dem 7. Oktober 2023 wird die Frage einer möglichen Querfront zwischen Teilen der linksradikalen Szene und islamistischen Akteuren diskutiert.
Forschungsfrage:
In welchem Umfang lassen sich Allianz- oder Kooperationsmuster zwischen linksradikalen Gruppen und der Muslimbruderschaft in Berlin beobachten, und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die demokratische Ordnung in Deutschland?
2. Theoretischer Rahmen
2.1 Legalistischer Islamismus
Legalistische islamistische Bewegungen – darunter die MB – vermeiden offene Gewalt und nutzen demokratische Instrumente, um langfristig eine gesellschaftliche Transformation im Sinne islamistischer Normen zu erreichen (vgl. Verfassungsschutzbericht Berlin 2024).
2.2 Querfront-Strategien
Unter „Querfront“ versteht man die punktuelle Zusammenarbeit ideologisch entgegengesetzter Strömungen, wenn gemeinsame Feindbilder oder Narrative dies ermöglichen (vgl. KAS 2024).
2.3 Demokratieresilienz
Die Demokratietheorie (Linz & Stepan 1996; Levitsky & Ziblatt 2018) betont die Notwendigkeit von Resilienzstrategien, um demokratische Systeme gegen innere Unterwanderung und delegitimierende Diskurse zu schützen.
3. Methodik
Die Arbeit basiert auf einer qualitativen Dokumentenanalyse:
Primärquellen: Verfassungsschutzberichte (Bund 2024, Berlin 2024, NRW 2023, Sachsen-Anhalt 2025).
Sekundärliteratur: Analysen politischer Stiftungen (z. B. KAS, bpb).
Medienquellen: Berichte über Proteste in Berlin nach dem 7. Oktober 2023.
Die Analyse folgt dem Ansatz der kritischen Diskursanalyse, um Narrative und Koalitionsmuster herauszuarbeiten.
4. Fallstudie Berlin
4.1 Die Muslimbruderschaft in Berlin
Repräsentiert v. a. durch die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (DMG), Sitz in Berlin.
Ca. 200 Anhänger in der Hauptstadt (VS-Bericht Berlin 2024).
Strategie: Nutzung von Vereinen, Bildungsprojekten, religiösen Institutionen.
4.2 Die linksradikale Szene in Berlin
Schwerpunkt auf autonomen und antiimperialistischen Milieus.
Nutzung des Nahost-Konflikts zur Mobilisierung seit 2023.
Auftreten bei Pro-Palästina-Demonstrationen, häufig in denselben Netzwerken wie islamistische Gruppen.
4.3 Schnittstellen
Narrativ: Antiimperialismus, Antizionismus, Feindbild „westliche Demokratien“.
Praxis: Gemeinsame Teilnahme an Demonstrationen, geteilte Online-Kampagnen.
Grenzen: Keine institutionalisierte Allianz, sondern situative Zweckbündnisse.
5. Vergleichende Perspektive
5.1 Österreich (Wien)
Verbot mehrerer MB-naher Vereine im Jahr 2021.
Diskussion um politische Einflussnahme islamistischer Netzwerke über die IGGiÖ.
5.2 Frankreich (Paris)
Strenge Maßnahmen gegen „Separatismus“ (Gesetz 2021).
Zahlreiche Pro-Palästina-Proteste mit Querfront-Elementen zwischen linksradikalen und islamistischen Akteuren.
5.3 Vergleich mit Berlin
Gemeinsamkeit: Nutzung des Nahost-Konflikts als Mobilisierungsplattform.
Unterschied: Deutschland reagiert bisher zurückhaltender als Frankreich und Österreich; Fokus stärker auf Beobachtung als auf sofortige Verbote.
6. Demokratietheoretische Implikationen
Die beschriebenen Zweckbündnisse bergen Risiken:
1. Erosion öffentlicher Diskurse durch Normalisierung antisemitischer Codes.
2. Radikalisierungspotenzial insbesondere bei Jugendlichen in marginalisierten Stadtteilen.
3. Delegitimierung staatlicher Institutionen, wenn Polizei und Justiz als „Repressionsorgane“ dargestellt werden.
4. Legitimationsgewinne für Extremisten, die durch gemeinsame Auftritte gesellschaftlich sichtbarer erscheinen.
7. Präventionsstrategien und Handlungsempfehlungen
7.1 Kurzfristige Maßnahmen
Intensiviertes Monitoring durch den Verfassungsschutz.
Rechtliche Instrumente wie Vereinsverbote und Finanzkontrollen.
7.2 Langfristige Maßnahmen – Stärkung benachteiligter Stadtteile
Jugendzentren und Sportvereine als Alternativen zu extremistischen Angeboten.
Berufsvorbereitung und Ausbildungsprogramme für Jugendliche.
Mentoring und Sprachförderung für Kinder mit Migrationshintergrund.
Workshops für Medienkompetenz, um extremistischer Online-Propaganda entgegenzuwirken.
Dialogformate zwischen Polizei und Jugendlichen zur Vertrauensbildung.
Partizipationsräte auf Stadtteilebene, um Jugendliche in Entscheidungsprozesse einzubinden.
8. Fazit
Berlin bildet eine Schnittstelle zweier extremistisch geprägter Milieus: der Muslimbruderschaft und der linksradikalen Szene. Die beobachteten Kooperationen sind keine institutionalisierte Allianz, sondern opportunistische Zweckbündnisse. Gleichwohl gefährden sie die FDGO durch Radikalisierung, antisemitische Narrative und Delegitimierung demokratischer Institutionen.
Zentral ist daher eine doppelte Strategie: konsequente sicherheitsrechtliche Beobachtung und langfristige Präventionsarbeit in marginalisierten Stadtteilen. Nur so lässt sich verhindern, dass Jugendliche durch extremistische Strukturen rekrutiert werden.
● Literaturverzeichnis (Auswahl)
Bundesamt für Verfassungsschutz (2024): Verfassungsschutzbericht 2024. Berlin.
Landesamt für Verfassungsschutz Berlin (2025): Verfassungsschutzbericht Berlin 2024 (Pressefassung). Berlin.
Landesamt für Verfassungsschutz NRW (2023): Islamismus in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf.
Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt (2025): Jahresbericht 2024. Magdeburg.
Konrad-Adenauer-Stiftung (2024): Eine neue Querfront? Islamistische und linksextreme Narrative im Nahost-Konflikt. Berlin.
Bundeszentrale für politische Bildung (2025): Aus Politik und Zeitgeschichte 16–19/2025: Islamismus. Bonn.
Linz, J. J. & Stepan, A. (1996): Problems of Democratic Transition and Consolidation. Baltimore.
Levitsky, S. & Ziblatt, D. (2018): How Democracies Die. New York.
Prof. Dr. phil. Hudhaifa Al-Mashhadani
Berlin, 2025




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