Mordanschlag auf Hudhaifa Al-Mashhadani
- leitungsteamarabis
- vor 14 Stunden
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Es faucht maschinell. Die ein- und ausfahrenden U-Bahnen lassen Berlins Untergrund vibrieren. Menschen auf dem Bahnsteig drängeln sich ungeduldig vorbei, Lautsprecherdurchsagen zerschneiden für einen Moment die Musik in den Ohren. Gleich soll die U 7 in den Bahnhof „Rathaus Neukölln“ einfahren. Mehr als 471.000 Menschen waren 2024 täglich mit der U 7 unterwegs. Doch an jenem Freitagvormittag ist etwas anders. Als die Bahn einfährt, kommt es mutmaßlich zum Mordversuch: Ein kräftiger Stoß von hinten, eine Drohgebärde, und die Welt ist schlagartig eine andere.
Das ist für Hudhaifa Al-Mashhadani brutale Realität. Am 14. November 2025 wurde er nach eigenen Angaben von einem Mann mit roter Kufija von hinten angegriffen. Laut „Tagesspiegel“ soll der Mann zudem „bedrohliche Handzeichen“ gemacht haben. Sein Ziel? Womöglich, Al-Mashhadani vor die U-Bahn zu stoßen. Inzwischen hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. Dieser ist für die Verfolgung politisch motivierter Straftaten zuständig. Denn Hudhaifa Al-Mashhadani ist längst ins Fadenkreuz islamistischer und antiisraelischer Gruppen in seinem Heimatbezirk Neukölln geraten.
Was an diesem Freitagvormittag geschah, darf daher nicht als isoliertes Ereignis betrachtet werden. Der vierundvierzigjährige Al-Mashhadani ist Generalsekretär des Deutsch-Arabischen-Rates sowie Leiter der säkularen Deutsch-Arabischen Schule Ibn-Khaldun in Berlin. In diesen Funktionen ist er ein stadtbekannter Kritiker islamistischer und antiisraelischer Netzwerke, ein Verfechter des jüdisch-muslimischen Dialogs und ein Befürworter des arabisch-israelischen Austauschs. Das hat ihn spätestens seit den Massakern der Hamas vom 7. Oktober 2023 in den Fokus islamistischer und antiisraelischer Gruppen gerückt.
Schule steht unter Polizeischutz
So wurden er und die Arbeit seiner Schule in den vergangenen zwei Jahren wiederholt angefeindet. Der Eingangsbereich der Schule wurde mit roten Dreiecken beschmiert, mit denen die Hamas in Propagandavideos feindliche Ziele markiert, sowie mit Bedrohungen und antiisraelischen Schriftzügen.
Die Sprachschule Ibn-Khaldun wurde 1974 von Al-Mashhadanis Vater gegründet und gibt aktuell 700 Kindern Arabischunterricht. Sie versteht sich als säkularer, pluraler Ort, an dem demokratische Werte gelebt werden. Auch der Holocaust wird unterrichtet. Aufgrund der Anfeindungen steht sie unter Polizeischutz. Für seine integrative Arbeit erhielt der im Irak geborene Hudhaifa Al-Mashhadani 2025 das „Band für Mut und Verständigung“ der Bundesländer Berlin und Brandenburg.
Dass gerade er zum Ziel eines Anschlagsversuchs wurde, zeigt deutlich, dass der Einsatz gegen Islamismus und Antisemitismus nicht graue Theorie ist, sondern das Leben der Engagierten selbst gefährden kann. Man erinnere sich an die antisemitismuskritische Neuköllner Programmkneipe Bajszel, die ebenfalls mit Hamas-Dreiecken, Brandanschlägen und verklebten Schlössern zum Schweigen gebracht werden sollte – und heute unter durchgängigem Polizeischutz steht.
Die pluralistische Gesellschaft braucht zivilgesellschaftliche Brückenbauer wie Al-Mashhadani. Das wird besonders deutlich, wenn man die Worte von Rabbiner Jeremy Borovitz nach dem Angriff liest. Borovitz, der am 9. Oktober 2019 den rechtsextremen Anschlag auf eine Synagoge in Halle überlebte, arbeitet als Rabbiner und Chief Program Officer beim jüdischen Verein Hillel Deutschland. Gemeinsam mit Al-Mashhadani hat er mehrere jüdisch-muslimische Kooperationsveranstaltungen organisiert. Auf seinem Instagram-Account schrieb er nun: „Gestern rief mich mein Freund Hudhaifa Al-Mashadany (. . .) an (. . .). Als er auf dem Heimweg in der U-Bahn-Station stand, versuchte jemand, meinen Freund zu töten (. . .). Dank Hudhaifas schnellem Handeln und dank Haschem/Allah ist er wohlauf. Aber beinahe wäre es nicht so gewesen.“
Der Rabbiner ergänzt, dass der Leiter der Ibn-Khaldun-Schule Konflikten nie aus dem Weg gehe. Meinungsverschiedenheiten ließen sich mit ihm bei Tee oder Gebäck besprechen. Borovitz fordert die jüdische Gemeinschaft zum Zusammenhalt auf: „Hass hat hier keinen Platz. Gewalt hat hier keinen Platz. Und wir werden bis zum Ende zusammenhalten, was auch immer geschieht, denn so verhalten sich Freunde, so lehrt uns mein Freund Hudhaifa.“
Es braucht mehr als nur Worte
Politische Reaktionen sind nicht ausgeblieben. Der regierender Bürgermeister Kai Wagner (CDU) verurteilte die Tat als „feige“ und erklärte seine Solidarität mit Al-Mashhadani. Auch Neuköllns scheidender Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD), der als Förderer der Arabischschule gilt, sagte seine Unterstützung zu.
Solche Worte sind wichtig, aber reichen nicht aus. Gerade in einem Bezirk wie Neukölln, mit seiner heterogenen Bevölkerung und seinen oft öffentlich ausgetragenen politischen Spannungen, braucht es ein tatkräftiges Bekenntnis: Die Verharmlosung islamistischer Ideologien und die Glorifizierung von Terrorismus müssen aufhören. Gerade in Berlin, wo beispielsweise der Kreisverband der Linkspartei Neukölln mit dem Vereinigten Palästinensischen Nationalkomitee zusammenarbeitet, das laut Sicherheitsbehörden den Terrororganisationen Hamas und Volksfront zur Befreiung Palästinas nahesteht. Und wo die städtischen Jusos im Frühjahr 2025 den Beschluss fassten, von „religiös-begründetem Extremismus“ statt von Islamismus zu sprechen.
Den ganzen Artikel von Ruben Gerczikow in der FAZ finden Sie hier




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